Die Ernährung der Rehe
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In einer Pilotstudie der Arbeitsgruppe Wildbiologie und Wildtiermanagement am Lehrstuhl für Tierernährung der Technischen Universität München wurde die Qualität und Energiedichte der Rehnahrung in einem naturnahen Waldhabitat sowie in der Kulturlandschaft miteinander verglichen. Dabei kamen erstaunliche Ergebnisse heraus, die ein paar alte Ansichten über Rehe in Frage stellen.
So sind Rehe keineswegs ausschließlich auf hochenergiereiche Pflanzenteile angewiesen, sondern vielmehr sehr robuste und anpassungsfähige Nutzer einer üppigen Nahrungsbasis in unserer Kulturlandschaft. Dies legt den Schluss nahe, dass sie keinesfalls klassische Konzentratselektierer sind.
Demzufolge zeigt die Studie, dass die Energiebasis in unserer Kulturlandschaft – egal ob Feld oder Wald – unseren Rehen das ganze Jahr über ein üppiges Auskommen bietet.
Ziel der Studie
Projektkulisse
Projektlaufzeit
Insgesamt wurden in beiden Gebieten 245 Proben gesammelt von denen 220 ausgewertet werden konnten. Die Ergebnisse zur Qualität und Energiedichte gelten nur für die beiden Untersuchungsgebiete. Aus diesem Grund wurde die Pilotstudie auf ganz Bayern ausgedehnt. Das Folgeprojekt läuft bis Ende 2021.
Die Ergebnisse über die Anpassungsfähigkeit der Rehe an ihre Habitate und an die vorhandene Vegetation sind auch auf andere Gebiete übertragbar.
Warum leben Rehe im Feld?
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Das ist in diesem Fall die Energiedichte der verfügbaren Äsung:
Im Januar und Februar bewegt sich diese im Feld zwischen 5,9 MJ / kg und 6,3 MJ / kg Trockenmasse. Im Wald steht den Rehen dagegen nur 4,2 MJ / kg bis 4,8 MJ / kg Trockenmasse zur Verfügung. Im Jahresdurchschnitt weisen die landwirtschaftlichen Nutzpflanzen für Rehe etwa 1 MJ / kg Trockenmasse mehr Energie auf als natürliche Waldvegetation.
Wie die Energiewerte zeigen, ging es den Rehen in den Untersuchungsgebieten in beiden Jahren bestens. Ein Energieengpass bestand zu keiner Jahreszeit.
Selektierer oder doch Konzentrat-Selektierer?
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Ziel der Untersuchung
Überraschende Ergebnisse
Die Anteile der Rohfasern lagen in Wald zwischen 23 % und 38 % und im landwirtschaftlichen Bereich zwischen 21 % und 28 % (Probenzahl N=220).
Die aufgenommen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen hatten somit einen geringeren Faseranteil als die natürlichen Waldpflanzen.
Die Rohfasergehalte in den Pansen der Rehe lagen in beiden Gebieten auf einem Niveau wie es von Rotwild (25 % - 30 % Nerl 1981, Stubbe 1988) einem Intermediären Äsungstypen oder Muffelwild (22 % - 34 % Drescher-Kaden, Seiflnasr 1986) einem Raufutter-Fresser (Hofmann 1972).
Vergleich der Untersuchungsgebiete
Die von uns gefundenen Ergebnisse decken sich mit vielen anderen Studien und belegen die hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Rehe an die vorhandene Nahrung.
Rehe sind Selektierer, jedoch keine Konzentrat-Selektierer.
Unabhängig von der wissenschaftlichen Richtigkeit sollte dringend auf den Zusatz "Konzentrat" bei den Selektierern verzichtet werden, da dieser Zusatz leicht falsch verstanden wird und Rehe hierdurch mit zu viel Eiweiß und Kohlehydraten gefüttert werden, wodurch sie an Pansenazidiose erkranken können oder im Wald verstärkt verbeißen um die notwendigen Fasern zu bekommen.
- König A., Scheingraber, M. & Mitschke J., 2016: Energiegehalt und Qualität der Nahrung von Rehen (Capreolus capreolus) im Jahresverlauf in zwei unterschiedlich geprägten Habitaten. Forstliche Forschungsberichte, München, 215
- Scheingraber, M., Klobetz-Rassam, E., Palme, R. & König A., 2016: Wie gestresst sind unsere Rehe? In: König, A., Hohmann, U., Ebert, C. & Mitschke, J. (Hrsg.) Wildbiologische Forschungsberichte Bd. 2, 74 – 85
- König, A., Scheingraber, M., 2016: Energiegehalt von Rehen im Jahresverlauf. In: König, A., Hohmann, U., Ebert, C. & Mitschke, J. (Hrsg.) Wildbiologische Forschungsberichte Bd. 2, 197 – 207