Ursachenkomplex

Die vom Schwarzwild verursachten Probleme beschäftigen die Jäger, Landwirte, Jagdgenossen, Waldbesitzer, Behörden und die Politik seit vielen Jahren. Mit der angestiegenen und sich ausbreitenden Population stellen die Wildschweine alle Beteiligten in zunehmendem Maße vor große Herausforderungen. Das Konfliktpotential nimmt in den letzten Jahren deutlich zu.
Trotz einer Vielzahl von Empfehlungen und Bejagungsrichtlinien und großen Anstrengungen der Jäger, Landwirte, Waldbesitzer und Jagdgenossen steigen die Schwarzwildbestände weiter an. Eine dauerhafte Trendwende im Interesse der Allgemeinwohlbelange und des Eigentumsschutzes konnte bislang noch nicht erreicht werden.
Wer Lösungen sucht, muss die Ursachen kennen. Wer die Ursachen kennt, muss überlegen, welche Maßnahmen von wem ergriffen werden können, um die angespannte Situation im Schwarzwildmanagement zu entschärfen.

Trotz intensiver Bemühungen noch keine Trendwende

Der "Populationsexplosion" der vergangenen Jahre liegt nicht eine einzige Ursache, sondern ein Ursachenkomplex zugrunde. In der Analyse der Schwarzwildproblematik werden unterschiedliche Ursachen genannt, deren Diskussion dann zielführend ist, wenn die Frage in den Mittelpunkt gerückt wird, durch welche Managementmaßnahmen und in welchem Zeithorizont sie sich beeinflussen lassen.

Grafik der Ursachen der wachsenden Wildschweinpopulation. Jagdliches Management, Einstellung der Gesellschaft, Klimaänderung, Populationsbiologie, Beutegreifer, Nahrungsressourcen und Rückzugsräume werden als Ursachen genannt.

Populationsentwicklung des Schwarzwilds

Im Zusammenhang mit der Populationsentwicklung des Schwarzwildes werden im Wesentlichen folgende Ursachen diskutiert.

Rückzugsräume

Bayernkarte des Maisanbaus 2014 in Hektar. Je dunkler die gefärbte Fläche, umso höher der absolute Maisanbau in Hektar.Zoombild vorhanden

Maisanbau 2014 (© LfL)

Durch Kalamitätsflächen (z.B. Sturmwurf) stehen dem Schwarzwild optimale Lebensräume im Wald zur Verfügung. Dort, wo in der landwirtschaftlichen Nutzung Maisanbau eine große Rolle spielt, finden Wildschweine nicht nur leicht erschließbare Nahrungsressourcen, sondern vor allem in den Spätsommer- und Herbstmonaten ebenfalls Rückzugsräume.

Mais

Nahrungsressourcen

Baummast, landwirtschaftliche Produktion, fehlende natürliche Nahrungsengpässe

Wildschweine auf einer Lichtung mit sehr matschigem BodenZoombild vorhanden

© Janko, C.

Pulsierende natürliche Nahrungsressourcen (Baummast von Eiche, Buche, Esskastanie) können Wildschweine optimal nutzen (vgl. z.B. Servanty et al., 2009, 2011). Hohe jährliche Zuwachsraten in und nach Vollmastjahren sind die Folge.
Aufgrund ganzjähriger Futterverfügbarkeit aufgrund des Nahrungsangebots aus der landwirtschaftlichen Nutzung, aber auch aus Kirrung, Ablenkfütterung und Notzeitfütterung, insbesondere in eher ungünstigen Lebensräumen (z.B. nadelholzdominierte Mittelgebirge, Alpennordseite), fehlen natürliche Nahrungsengpässe für Schwarzwild in unserer Kulturlandschaft.

Klimaänderung

Die mit einer Klimaänderung einhergehenden steigenden Wintertemperaturen machen Schwarzwild in der Hauptjagdzeit schwerer bejagbar. Zudem dürften tendenziell die Zuwachsraten in milden Wintern steigen, während zugleich die natürlichen Mortalitätsraten sinken.

Jagdliches Management

Uneinheitliche Bejagungsintensität, Bachenschonung, unsachgemäße Kirrung

Bachen und FrischlingeZoombild vorhanden

© Zolastro-Fotolia.com

Das jagdliche Management in den Regionen wie auch in den Revieren ist sehr unterschiedlich. Diesbezüglich werden Verbesserungen z. B. bei der Bachenbejagung oder dem Umgang mit der Kirrung diskutiert.

Leitbachendiskussion

Populationsbiologie

In der Populationsbiologie lassen sich Tier- und Pflanzenarten anhand ihrer Lebensstrategie (Fortpflanzungsstrategie) in K- bzw. r-Strategen einteilen. "K" steht für Kapazitätsgrenze des Lebensraumes, "r" für die Reproduktionsrate einer Population.

K-Strategen

K-Strategen sind Arten, deren Populationen sich langsam der Umweltkapazitätsgrenze nähern, die sich langfristig um die Lebensraumkapazität einpendeln und deren Lebensräume daher relativ stabil sind. Sie kommen spät in die Geschlechtsreife, produzieren wenig Nachkommen und haben ein längeres Lebensalter. Beispiele sind Primaten, Wale oder Elephanten.

Typische eigenschaften von K-Strategen, für r-Strategen gilt jeweils das Gegenteil:

  • Langsame Individualentwicklung
  • Große Körpergröße
  • Lange Lebensdauer
  • Geringe Vermehrungsrate
  • Später Fortpflanzungsbeginn
  • Lange Geburtenabstände
  • Geringe Nachkommenzahl
  • Ausgeprägte elterliche Brutpflege

Wildschweine sind r-Strategen

Wildschweine gehören zu den r-Strategen. Sie werden schon im Frischlingsalter ab ca. sechs bis sieben Monaten erfolgreich befruchtet. Zudem werden sie kaum älter als 2,5 Jahre und erzeugen viele Nachkommen. Außerdem reagieren sie mit erheblichen Wachstumsraten auf gute Nahrungsverhältnisse, können instabile Lebensräume besiedeln und haben daher ein großes Ausbreitungspotential.
Die Merkmale, die zur Unterscheidung beider Lebensstrategien herangezogen werden, sind nicht immer eindeutig. Es gibt auch Übergangsformen.

Für das Wildschwein überwiegen eindeutig die Merkmale, die r-Strategen kennzeichnen:

  • frühe Geschlechtsreife, schon im Alter von 6 Monaten
  • zu jeder Jahreszeit fortpflanzungsfähig
  • Fruchtbarkeit hoch, Zuwächse bis zu 300%
  • Reproduktionserfolg hoch, bei aktuell günstigen Klima- und Nahrungsbedingungen
  • Populationsgröße variabel, Zuwachs nach Voll-/Fehlmast
  • Rottenzusammensetzung dynamisch und flexibel
  • schnelle Körperwachstum, nach Ende des 1. Lebensjahres 40 Kilogramm und mehr
  • hohe Mortalität, nach Seuchen wie Afrikanischer Schweinepest gar katastrophenartig
  • Lebenserwartung gering, kaum älter als 2 Jahre
  • hohes Ausbreitungspotenzial, Besiedlung des Voralpenraumes und Siedlungsräume der Menschen
Vor dem Hintergrund dieser populationsbiologischen Besonderheit müssen Managementmaßnahmen beurteilt werden. So zum Beispiel der Bachenabschuss, wenn das Ziel darin besteht, den Schwarzwildbestand auf ein bestimmtes Niveau zu regulieren.

Beutegreifer

Fressfeinde des Schwarzwildes sind in Bayern nicht relevant (keine Populationen von Wolf, Bär und Luchs) und üben somit keinen ergänzenden populationsregulierenden Effekt aus.

Einstellung der Gesellschaft

Akzeptanzprobleme

Umfragen bzw. sozialwissenschaftliche Studien zeigen, dass die Akzeptanz der Gesellschaft für eine jagd-, teils auch für eine land- und forstwirtschaftliche Ressourcennutzung schwindet und sich das (Selbst-) Bild des Jägers als Regulator von Wildbeständen wandelt (vgl. Beutelmeyer 2010, 2011, 2012, 2014).

Wo ansetzen?

Diese nur grob skizzierten Ursachen und noch einige weitere Aspekte umschreiben den Ursachenkomplex, in dessen Kontext das derzeitige Management der Wildschweine zu sehen ist. Unmittelbar beeinflussen lässt sich die Schwarzwildpopulation durch ein jagdliches Management, das die populationsbiologischen Besonderheiten der Tierart berücksichtigt. Die anderen genannten Ursachen lassen sich wesentlich schwerer beeinflussen und wirken sich allenfalls mittel- oder langfristig aus.

Maßnahmenpakete schnüren und umsetzen - aber wie?

Manche Fachleute sehen im Gelingen der nachhaltigen Absenkung der Schwarzwildbestände einen Prüfstein für das Jagdwesen (vgl. u. a. Hackländer, 2013; Panknin, 2013; siehe aber auch Hohmann, 2013). Wenn die Jagdexperten Recht haben, so müssen zeitnah Maßnahmenpakete geschnürt und umgesetzt werden. Die Umsetzung der Maßnahmen im Schwarzwildmanagement muss in den Regionen erfolgen. Denn im gemeinsamen Engagement der Beteiligten vor Ort unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten liegt zweifellos "der" wesentliche Schlüssel zur Lösung der Schwarzwildproblematik.